2020


2020 war ein spezielles Jahr. Nicht nur die Corona-Krise machte mir zu schaffen. Im Frühjahr hatte ich mit mentalen Schwierigkeiten zu kämpfen, die mich teilweise über den Sommer hinaus begleitet hatten. Ich fühlte mich nie wirklich danach, Rennberichte zu verfassen. Das fiel mir in den vergangenen Jahren immer sehr leicht, doch dieses Jahr tat ich mich sehr schwer damit. Ich habe mich demnach entschieden, es beim Newsletter meines Gönnerclubs zu belassen und nichts zu erzwingen. 

Für 2021 überlege ich mir aber ein Format, dass euch wieder mehr an meinen Rennerfahrungen teilhaben lässt. 


Newsletter November

Es sind schwierige Zeiten, in denen wir uns alle befinden. Das Ende der Corona-Pandemie scheint noch länger nicht erreicht zu sein und bereits jetzt deutet vieles darauf hin, dass auch die Saison 2021 stark von Covid-19 dominiert sein wird. Doch erst mal einen Blick zurück:

 

Den letzten Newsletter schrieb ich kurz vor dem ersten grossen Rennen der Saison, dem Engadin Bike Giro. Das erste Rennen mit Schutzmasken an der Startlinie, ohne Rahmenprogramm und mit beschränktem Teilnehmerfeld – aber eben doch ein Rennen. An dem dreitägigen Rennen im Engadin fuhr ich auf den sehr guten 20.Rang. Nun mag man sich denken: «letztes Jahr wurde er doch 15, so gut ist das nicht». Doch dieses Jahr war der Bike Giro so gut besetzt wie noch nie. Jeder wollte Rennen fahren und so stand die Weltelite an der Startlinie. Daher war ich mit meiner Rangierung sehr zufrieden. 

Es dauerte rund 5 Wochen bis zum nächsten Rennen. Diese Zeit nutzte ich, um gut zu trainieren. Jedoch plante ich eine besondere Trainingswoche ein: in 5 Tagen fuhr ich mit meinem Rennrad fast 1000 Kilometer durch die Schweiz. Von Samedan über Herisau nach Sachseln, Bern, Zürich und wieder zurück nach Samedan. Ich fuhr durch wunderschöne Landschaften, lernte neue Ecken der Schweiz kennen und wurde überall, wo ich einen Besuch machte, mit offenen Armen empfangen.

 

Um mich einerseits gut von dieser Velotour zu erholen und andererseits auch den Kopf frei zukriegen, fuhr ich in der folgenden Woche nach Ramosch in ein Zeltlager. Zusammen mit drei Kolleginnen und Kollegen kochten wir eine Woche lang für rund 50 Personen, die einen J&S-Leiterkurs absolvierten. Eine Woche nicht aufs Fahrrad zu steigen und den Kopf nicht beim Leistungssport zu haben, tat mir sehr gut. Mit vielen positiven Erinnerungen stieg ich danach in die Vorbereitungen fürs Swissepic ein. 

Blick auf den Vierwaldstättersee. (Bild: L.Zumstein)
Blick auf den Vierwaldstättersee. (Bild: L.Zumstein)

Am 9.August startete ich beim Radklassiker Andeer-Juf und fuhr in einem wiederum sehr gut besetzten Feld auf den dritten Rang. Ein paar Tage später, am 18.August fiel dann der Startschuss zum Swissepic in Laax. Zusammen mit Remo Fischer nahm ich dieses Rennen in Angriff und wir konnten uns in dem starken Feld behaupten. Dieses Jahr waren alle Rennen, die stattfanden, unglaublich stark besetzt. In der Endabrechnung des Swiss Epic verloren wir an 5 Tagen 1h37min auf die Sieger Lars Forster und Nino Schurter. Dies reichte für den 15.Rang, den wir uns vorher nie erträumen liessen. Wir erlebten eine perfekte Woche, zusammen mit einem unschlagbaren Betreuerteam. 

Nach dem Swissepic mit dem gesamten Betreuerteam. (Bild: M.Barandun)
Nach dem Swissepic mit dem gesamten Betreuerteam. (Bild: M.Barandun)

Im September fanden noch zwei Schweizer Marathonrennen statt: die O-Tour in Alpnach und der Nationalpark Bikemarathon im Unterengadin. In Alpnach startete ich gut, bin dann aber kurz vor Ende des ersten Aufstiegs regelrecht explodiert und musste danach einige Fahrer ziehen lassen. Ich konnte mich aber erholen und am zweiten Aufstieg nochmals ein paar Ränge gut machen. Schlussendlich reichte es für den 25. Schlussrang. Ich versuchte am Anfang mit den Schnellsten mitzuhalten, was eigentlich über lange Zeit gut ging. Im Nachhinein musste ich dann aber einsehen, dass ich mit dieser Strategie wohl eine noch bessere Platzierung vergeben hatte. 

Eine Woche später fand die Schweizermeisterschaft am Nationalpark Bikemarathon in Scuol statt. Die Alternativstrecke, die aufgrund von Corona ohne Streckenanteile im Livigno geplant wurde, führte von Scuol talaufwärts bis nach Zuoz und wieder zurück nach Scuol. Dieses Mal musste ich jedoch die Spitzengruppe bereits im ersten Anstieg nach Ftan ziehen lassen. In einer Dreiergruppe fand ich mich dann aber gut zurecht und wir konnten auf der Strecke mit vielen flachen Abschnitten gut zusammenarbeiten. Am Ende reichte es für den 19.Rang, mit dem ich erneut sehr zufrieden war. Um meine Leistungen ein wenig zu vergleichen, habe ich begonnen, den prozentualen Rückstand auf die Siegerzeit anzuschauen. An der Schweizermeisterschaft betrug dieser Wert 6.1 %. So wenig verlor ich auf der Langdistanz noch nie. Im letzten Jahr betrug dieser Wert an der Schweizer Meisterschaft noch 10.3 %. Dies zeigt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin. 

Relativ spontan fragte mich Andrin Beeli, ein langjähriger Trainingskollege, an, ob ich mit ihm und seinen Eltern anfangs Oktober mit auf Elba kommen wolle, um dort den Capoliveri Legend Cup zu fahren. Mit der Aussicht, auch noch ein paar Tage „Urlaub“ am Mittelmeer geniessen zu können, sagte ich zu. 

Jedoch kam ich nach der SM nicht mehr regelmässig zum Trainieren, da inzwischen das 3. Semester startete und vom ersten Tag an viel Zeit in Anspruch nahm. Ohne Erwartungen, aber trotzdem noch motiviert und voller Vorfreude, fuhr ich also mit Familie Beeli nach Capoliveri. Vier spätsommerliche Trainingstage auf der Rennstrecke liessen meine Vorfreude noch grösser werden. Die wunderbare Landschaft, Hammer-Trails und eine physisch sehr anspruchsvolle Strecke erwartete uns bei traumhaften Bedingungen. Ich startete zuhinterst im rund 140 Mann starken Elitefeld, das auch hier sehr stark besetzt war. Es war sowohl ein UCI Marathon, als auch die italienische Meisterschaft. Das Tempo war von Anfang sehr hoch und ich konnte bereits im ersten Aufstieg einige Plätze gut machen. Dass ich auf rund 1700 Meter über Meer wohne, machte sich dann besonders in der zweiten Rennhälfte bemerkbar. Ich konnte mich jeweils schnell erholen und in den Aufstiegen ein konstantes Tempo fahren. Im letzten längeren Aufstieg konnte ich nochmals fast 10 Ränge gut machen und erreichte das Ziel als 32. Ich bin sehr zufrieden, da ich eigentlich nicht mehr mit solch einer Leistung gerechnet hatte. Beflügelte mich die Unterstützung aus dem Engadin? Jedenfalls war sie sehr motivierend und unterstützend. Zugleich motiviert mich dieses Resultat und die positiven Erinnerungen an Elba, wo im nächsten Jahr die Marathon WM stattfinden wird – mein grosses Ziel für 2021.

Wall of Legend am Capoliveri Legend Cup (Bild: mtb-channel.it)
Wall of Legend am Capoliveri Legend Cup (Bild: mtb-channel.it)

So kommen wir zu meinen Zukunftsplänen. Wie ich im letzten Newsletter und der separaten Einleitung beschrieben hatte, war der Frühling eine schwierige Zeit für mich. Ich machte mir damals ernsthafte Gedanken, den Sport an den Nagel zu hängen. Doch es fühlt sich so an, dass dieses Kapitel noch nicht fertig geschrieben ist. Trotzdem hat mich diese Phase einiges gelehrt, zum Beispiel wie wertvoll es ist, ein gutes Umfeld zu haben, das mir viel gibt, aber mich nicht unter Druck setzt. Das hat für mich mehr Wert, als im Trikot eines grossen Marathonteams zu fahren. So werde ich auch im kommenden Jahr im orangen Dress von Bernina Sport unterwegs sein. Nichtsdestotrotz möchte ich mich weiter professionalisieren, um weitere Fortschritte zu machen. Es freut mich sehr, dass ich dafür auch auf die Unterstützung von Merida Schweiz zählen darf. Ab der kommenden Saison bin ich nämlich Brand Ambassador von Merida Schweiz. 

Meine Sponsoren und Gönner machen es mir in vielerlei Hinsicht leichter, dass ich mich auf das wesentliche konzentrieren kann. Sei es mit Materialsponsoring oder durch finanzielle Entlastung: ohne wäre es schlicht und einfach nicht möglich. 

Ich habe mich für den Weg mit Spitzensport und Studium entschieden. Es ist oftmals kein leichter Weg. Aber ich bin mir sicher, dass der leichteste Weg nicht immer der Beste ist. Es würde mir sehr viel bedeuten, wenn ich auch in Zukunft auf eure Unterstützung zählen kann.