2018

30.September 2018, Ironbike Einsiedeln

Ich muss nicht, aber ich will

Schon vor dem letzten Rennen in Einsiedeln ist klar: ich werde die Garmin Bikemarathon Classics auch dieses Jahr gewinnen. Ich werde also mein Saisonziel erreichen und den Titel verteidigen. Der Gesamtsieg freut mich natürlich sehr, doch ich möchte auch in Einsiedeln beim letzten Rennen der Saison auf dem Podest stehen.

Nach dem Swissepic habe ich zwar noch regelmässig trainiert, doch ich habe die Strapazen auch noch eine Woche später gespürt. Das letzte Rennen der Saison war für mich in der Vergangenheit immer ein wenig eine Wundertüte: Ich wusste nie so recht, ob die Energiereserven noch anhalten (wie letztes Jahr) oder ob ich voll gegen die Wand fahren werde (wie 2016 und 2015). Und so ist es auch dieses Jahr.

 

Der Blick auf die Startliste lässt erahnen, dass es einen wirklich guten Tag braucht, um auf das Podium zu fahren. Mit Sebastian Breuer ist der Vorjahressieger am Start, Simon Brändli hat mich an der O-Tour und am Nationalpark geschlagen und mit Inauen, Olivetti  oder Kälin stehen auch einige starke Crosscountry Fahrer am Start. Und einen wird man ohnehin nicht schlagen können: der mehrfache belgische Meister und UCI Marathon Series Gesamtsieger Frans Claes. Er steht nur auf der Mitteldistanz am Start, weil er sich nicht in die Schweizer Meisterschaft auf der Langstrecke einmischen will. Claes hätte auch dort gute Karten, dass Rennen zu gewinnen. So fällt um 8:25 der Startschuss zum letzten Saisonrennen.

 

In Einsiedeln geht es meist relativ gemütlich los. Die ersten paar Kilometer sind flach und auf einer breiten Asphalt-Strasse. Trotzdem möchte ich nicht riskieren, in einen Sturz verwickelt zu sein oder zu verpassen, wenn vorne die Post abgeht und halte mich daher an der Spitze des Feldes auf. Und dieses Vorhaben bestätigt sich bereits im ersten Aufstieg: es ist wie erwartet Claes, der für ein enorm hohes Tempo sorgt. Es geht nicht lange, bis sich eine ca. 8 köpfige Spitzengruppe bildet, aus der der Belgier auch bald mal ausbricht. Doch so einfach möchte ich es einem der besten Marathonfahrer der Welt nicht machen, und so bin ich es, der die Lücke zu Claes wieder schliesst und die Spitzengruppe sprengt. Wir sind also zu fünft (Claes, Breuer, Olivetti, Koller und ich) an der Spitze des Rennens. Doch nach ca 40 Minuten, im Aufstieg zum Etzel, ist bei Olivetti und Koller die Luft draussen und auch ich muss extrem kämpfen, um den Anschluss an Breuer und Claes nicht zu verlieren. In der Abfahrt passiert es dann doch und ich muss die beiden ziehen lassen. Sebastian lässt mich in der nächsten Steigung zwar nochmals aufschliessen und ermutigt mich, dass wir zusammenarbeiten und Claes ziehen lassen. "Der spielt mit uns", meint Sebastian. Doch ich kann sein Tempo nicht ganz mitgehen und muss nach etwa einer Stunde auch ihn ziehen lassen. Das ärgert mich sehr, denn mit Sebastian hätte ich das perfekte Zugpferd in der Fläche. Doch ich bin wirklich am Anschlag und komme einfach nicht mehr an ihn ran.

Ab dem Aufstieg zur Alp Grueb passiert vorläufig nicht viel. Ich versuche mein Tempo durchzuziehen und den aktuellen Podestplatz zu verteidigen. Mehr scheint heute nicht drin zu liegen. In der Abfahrt nach Euthal verliere ich meinen Bidon und verliere auch ein wenig Zeit auf die Verfolger. So kommt es, dass ich in Euthal nur knapp 45 Sekunden Vorsprung auf Rang 4 und 5 habe. Ich kann die Verfolger auch einige Male sehen und versuche darum, im Aufstieg nach Wisstannen das Tempo hochzuhalten. Das gelingt mir nicht schlecht, doch das weiss ich während dem Rennen natürlich nicht. So entscheide ich mich, vorläufig mal durchzuziehen, um dann am Anfang der längeren Fläche die Situation nochmals einzuschätzen. Wenn der Vorsprung kleiner würde und eine Gruppe direkt hinter mir folgt, dann lass ich die aufschliessen, denn in der Fläche wären die sowieso schneller und dann könnte ich im Windschatten Kräfte sparen. Doch so kommt es nicht. Ich kann keine weiteren Fahrer ausmachen, also heisst es nochmals richtig investieren und die lange Fläche allein in Angriff nehmen. Es ist ein wenig wie ein Zeitfahren, oder wie die Einzeletappen an der Tortour. Mit diesen Gedanken motiviere ich mich selbst, denn die Sorge, dass hinten vielleicht doch auf einmal eine Gruppe angerast kommt, ist schon noch vorhanden. Am Fuss der letzten Steigung schreit mir Benno zu: "Gnüss de letschdi Ufstig fu de Saison". Auch meine Eltern, die mich noch ein letztes Mal verpflegen, meinen, dass der Vorsprung mindestens 90 Sekunden beträgt. Und so kann ich den letzten Aufstieg wirklich ein wenig geniessen. Mir gehen viele Momente dieser Saison durch den Kopf: Der Kampf um Rang 3 am Ultrabike, der Fluchtversuch am Radmarathon, die letzte Etappe der Tortour, der Sieg am Bergibike. Alle haben sie eines gemeinsam: ich bin in der mehr oder weniger komfortablen Situation des Gejagten und muss das Rennen nur "nach Hause" bringen. Bis auf die Tortour hat das immer geklappt und so lasse ich mir auch heute nicht die Butter vom Brot holen. Klar, die Serie gewinne ich, egal was passiert. Das lässt mich das ganze auch entspannt angehen. "Aber jetzt hole ich mir auch noch diesen Podestplatz", denk ich mir.

Die letzten Abfahrten fahre ich sicher, um das Risiko eines Defekts zu minimieren. Die letzten knapp 3 Kilometer führen anders als die letzten Jahre ins Ziel. Es soll ein sehr steiles Stück haben, das "wohl kaum fahrbar" und "mit Sicherheit zu laufen" ist. So haben es auf alle Fälle einige Fahrer gesagt, die den letzten Anstieg noch angeschaut haben. Und so fahre ich in den letzten Aufstieg und tatsächlich, das ist verdammt steil. Ich kann aber alles fahren, was die vielen Zuschauer an dieser Stelle komplett ausrasten lässt. Das motiviert mich und so macht dieser letzte Aufstieg richtig Spass. Die vielen Leute am Streckenrand werden richtig laut, als ich die letzten Höhenmeter der Saison bewältige, und ein Blick zurück verrät mir auch, dass ich den dritten Platz auf sicher habe. Trotzdem braucht die letzte Abfahrt nochmals Konzentration, bevor ich auf dem Einsiedler Klosterplatz meinen zweiten Seriensieg in Folge bejubeln darf.

 

Es ist wirklich ein tolles Gefühl, die Saison mit einem Podestplatz abzuschliessen und ich habe das Maximum rausgeholt, mehr wäre heute wohl nicht drin gelegen, denn Sebastian nimmt mir 2 Minuten ab und Claes war sowieso eine Klasse für sich.

An dieser Stelle ein riesen Dankeschön an alle, die an diesem Erfolg beteiligt sind. Ganz besonders den Jungs vom Berninasport für die Unterstützung in allen möglichen Bereichen und natürlich meiner Familie, für alles was sie für mich tun.

Auf die kommende Saison wird sich einiges ändern, ihr dürft gespannt sein. Details dazu werden folgen.

 

Aber eins bleibt: der rothaarige Lauch, mit seinen trockenen Sprüchen und flachen Witzen wird auch im kommenden Jahr ein bisschen Fahrrad fahren, ohne sich selber allzu ernst zunehmen.

 

Vielen Dank jedem Einzelnen fürs Lesen dieser Zeilen. Und wenn ihr jetzt ein Lächeln im Gesicht habt, dann habe ich mein Ziel erreicht.

 

Fadri


9.September 2018, O-Tour Alpnach

Swissepic Hauptprobe geglückt

An das Rennen in Alpnach von 2017 habe ich sehr spezielle Erinnerungen. Dank dem guten Resultat damals, durfte ich mir nochmals Hoffnungen für die Gesamtwertung machen. Ich reise also mit einem guten Gefühl an das Rennen, es ist aber nicht ganz einfach, den Fokus auf die 45 Kilometer und 1800 Höhenmeter zu richten, denn nächste Woche steht das Saisonhighlight, das Swissepic an. Mein Swissepic Partner Lars Zumstein wird in Alpnach ebenfalls am Start sein, und so können wir die O-Tour als Hauptprobe für das 5-tägige Rennen im Wallis nutzen.

 

Um 8:25 folgt der Startschuss und es geht gleich richtig zur Sache. Jeremias Marti, der Favorit auf den Tagessieg, schlägt ein brutales Tempo an, bei dem bereits nach wenigen Kilometern niemand mehr mitgehen kann. Ich finde mich bald in der Verfolgergruppe mit Lars, Simon Brändli und einem holländischen Fahrer wieder, welcher noch vor der Hälfte des ersten, 1000 Höhenmeter langen Aufstiegs abreissen lassen muss. So sind es Lars, Simon und ich, die Jeremias verfolgen. Doch dass wir ihn heute nicht mehr sehen werden, ist uns allen klar. Im Aufstieg und der darauffolgenden Abfahrt müssen wir immer wieder Fahrer der langen Strecke überholen. Gerade in der Abfahrt ist das zum Teil relativ schwierig und die Rennsituation unübersichtlich. Und so „schleicht“ sich Simon förmlich davon. Lars und ich arbeiten gut zusammen und er geht mein Tempo mit, obwohl er noch ein oder zwei Gänge schneller fahren könnte ;-)

 

Ich merke, dass ich zurzeit nicht mehr ganz so spritzig bin, und so kann ich nicht mehr rausholen und muss in den Aufstiegen meinen Rhythmus fahren. Dies gelingt mir aber nicht schlecht und in den flachen Abschnitten können Lars und ich gut zusammen arbeiten. Vor der letzten Abfahrt müssen wir uns beide eingestehen, dass wir Simon nicht mehr einholen werden und wollen den 3. und 4. Rang ohne Defekte ins Ziel bringen. Die Punkte fürs Gesamtklassement spielen nicht mehr so eine grosse Rolle und mit Lars um den Podestplatz zu kämpfen macht meiner Meinung nach wenig Sinn. Er fährt in einer anderen Kategorie und hätte sicherlich einige Minuten schneller fahren können, ist aber das gesamte Rennen mit mir gefahren als Hauptprobe fürs Swissepic. Lars wird dritter im Ziel und ich vierter resp. dritter in der Kategorie der Lizenzfahrer.

 

Im grossen und ganzen bin ich zufrieden mit dem Resultat, es wäre nicht mehr drin gelegen und im Hinblick auf die kommenden 5 Tage im Wallis ist es sicherlich auch nicht von Nachteil, nicht komplett zerstört im Ziel anzukommen. Den Sieg in der Gesamtwertung sollte mir auch keiner mehr nehmen, und so kann ich ohne Rücksicht auf das letzte Rennen in Einsiedeln am Swissepic nochmals Vollgas geben.

 

Vielen Dank an Urs und Trix für die Beherbergung und den leckeren Pasta-Abend und an meine Eltern für die Begleitung ans Rennen.

 


25.August 2018 - Nationalpark Bikemarathon

Verkürztes Heimrennen

Ich wusste ja, dass die Tortour hart wird und ich danach einige Tage Erholung benötige, dass ich aber so zerstört sein werde, hätte ich nicht gedacht. Auch die Erholung nach dem Sturz benötigte seine Zeit, und so war ich an den Tagen zwischen Tortour und meinem Heimrennen nicht mal 2 Stunden auf dem Bike. Bereits am Mittwoch wurde entschieden, dass am Samstag alle auf der 47-Kilometer-Strecke starten werden. Ein Entscheid, der sicher mutig war, den ich aber als absolut richtig empfinde. Die Wettervorhersage meldete sehr schlechtes Wetter und keiner wollte eine Wiederholung von 2011. Und ich persönlich konnte mich auch schnell damit anfreunden, vielleicht kommt mir das sogar entgegen. Der Nationalpark Bikemarathon ist ein spezielles Rennen für mich, es ist mein Heimrennen. Ich kenne viele Leute am Streckenrand und werde (von Jahr zu Jahr mehr) von den Zuschauern erkannt und besonders stark angefeuert, das motiviert sehr.

Also fahren wir am Samstagmorgen nicht nach Fuldera sondern nach S-chanf. Nach einem relativ langen WarmUp reihe ich mich ganz vorne ein. Ich weiss, dass ich das Rennen heute gewinnen kann. Und ich weiss auch, dass ich das Rennen massgebend mitgestalten kann.  Es wird hektisch werden, daher ist eine gute Position wichtig, um nicht in allfällige Stürze verwickelt zu werden. Trotzdem gilt es, in den flachen Stücken Kräfte zu sparen, besonders da ein relativ starker Gegenwind herrscht.

Ich komme gut weg am Start und versuche, ein Tempo anzuschlagen, dass ich über die ganze Rennzeit halten könnte, aber das nicht zu tief ist, so dass es zu einer riesigen Spitzengruppe kommt. Wie erwartet wird in jeder kleinen Gegensteigung voll in die Pedale gekickt und ich merke schnell, dass ich am Berg defintiv zu den schnellsten gehöre. Ich versuche mit voller Konzentration zu fahren, um keinen Fahrfehler zu begehen. In der Abfahrt nach Zernez bin ich für meinen Geschmack zu weit hinten und so möchte ich mich im Aufstieg zum Munt Baselgia wieder an die Spitze des Rennens setzen und gleich mal herausfinden, wer wie stark ist. Schnell habe ich fast eine halbe Minute Vorsprung, doch entscheide mich noch vor der Abfahrt, wieder Tempo rauszunehmen. Ich habe gehofft, dass ein oder zwei Fahrer mitziehen und wir uns absetzen können. So weiss ich jetzt immerhin, dass ich mich am Berg heute nur selber schlagen kann. Und entscheide mich dafür, in der Fläche keine Tempoarbeit mehr zu leisten, da ich den Unterschied nachher im langen Aufstieg machen kann. Das hat jedoch zur Folge, dass das Tempo immer wieder zusammenbricht und es einem Fahrer kurz vor Lavin sogar gelingt zu entfliehen. Ich lasse mich aber nicht verunsichern und folge den weiteren Fahrern im Windschatten. Ich habe kein Interesse daran, in der Fläche ein hohes Tempo zu fahren. Ab Lavin ist aber schnell klar, was Sache ist: jetzt geht es um den Tagessieg und wertvolle Punkte im Gesamtklassement. Ich drücke mal ordentlich aufs Tempo und schon bald sind aus der etwa 15 Mann starken Spitzengruppe nur noch 4 Fahrer übrig. Ich sorge durchgehend allein für das Tempo und versuche in Guarda ein erstes Mal zu attackieren. Die Attacke war definitiv ernst gemeint: 50 Sekunden lang über 500 Watt. Doch ich kann mich nicht von allen Fahrern lösen: Simon Brändli, den ich von Anfang an als stärksten Mitstreiter einschätzte, konnte mir folgen. So sind wir also zu zweit unterwegs nach Ftan und ich weiss, dass ich Simon vor der letzten Abfahrt abschütteln muss. Ich probiere in Ardez und Ftan nochmals anzugreifen, doch ich werde den amtierenden Bike-OL-Weltmeister nicht los. Es kommt sogar noch schlimmer: Simon überholt mich und fährt mir davon. Ich probiere ihm zu folgen, doch der Sturz von vergangener Woche ist noch zu präsent und ich kann nicht ganz volles Risiko eingehen. Und in einem so kurzen Rennen entscheiden oft Kleinigkeiten wie diese. Am Schluss sind es 30 Sekunden, die ich auf den Sieger verliere.

Ich bin anfangs ein wenig enttäuscht, da ich mir mehr erhofft hatte. Aber bereits nach wenigen Stunden freue ich mich über die erbrachte Leistung und den erneuten zweiten Rang an meinem Heimrennen.

 

Grazcha fich an alle, die mich unterstützt und angefeuert haben, das macht dieses Rennen so besonders. Danke auch einmal mehr an meine Eltern.

Nun habe ich in Alpnach bereits die Chance, die Gesamtwertung der Garmin Bikemarathon Classics für mich zu entscheiden.


16.-18. August 2018 - TorTour Challange 550km

Das härteste Rennen meiner Karriere

Die Tortour, ein berühmtes Prestigerennen durch die ganze Schweiz. Kurz zusammengefasst besteht das Rennen aus einem knapp 1 Kilometer langen Prolog, aus dem die Startzeit für das Hauptrennen folgt. Das Hauptrennen führt dann über 9 Etappen an den sogenannten Timestations vorbei 550km durch die ganze Schweiz. Wir waren als 3er-Team für das "WOO-Nutrition Racing Team am Start".

So viele Emotionen, so viel Leidenschaft, so viel Teamgeist, so viel Anstrengung machten das Rennen zu dem, was es ist: eine echte Tortour. Im ersten Teil werde ich meine Erlebnisse des Rennens niederschreiben, im zweiten Teil wird eine kurze Anekdote von jedem Teammitglied einen anderen Blickwinkel auf das Rennen ermöglichen. Viel Spass beim lesen, nachfühlen und nacherleben.

Teil 1 - Fadri's Rennbericht

Tag 1, Donnerstag - Der Prolog

Um 7 Uhr geht's los. Mit den zwei Begleitfahrzeugen machen wir uns voll beladen im Engadin auf den Weg nach Schaffhausen. Die Stimmung ist gut. Sowohl die Betreuer wie auch die Fahrer sind voller Vorfreude auf die 3 kommenden Tage, obwohl keiner so richtig weiss, was ihn erwarten wird. "Wir sind gut vorbereitet", denken wir. Bruno musste anfangs Woche leider bekannt geben, dass er aufgrund einer Verletzung im Rückenbereich nicht starten kann. Ersatz haben wir aber ziemlich zügig im eigenen Lager gefunden: Kilian wird für ihn einspringen. Der Stress und die Umstellungen, die dieser kurzfristige Wechsel mitbrachte, scheinen vergessen zu sein. Das ist auch gut so.

In Schaffhausen angekommen, richten wir uns erst mal ein: mit Zelt, Liegestühlen und natürlich der Bündnerfahne (siehe Bild). Schon bald wird über uns gesprochen und wir sind schnell als "Bündner" und als Team mit viel Stil unter den anderen Fahrern bekannt. Wir nehmen die Rolle gern an, was uns auch ein wenig von den anstehenden Strapazen ablenkt. Nach dem Briefing und der Pastaparty laufen bei uns die letzten Vorbereitungen für den Prolog. Der Prolog ist wie gemacht für uns: kurz, heftig und steil. Die Taktik steht schnell: All-Out und ich mache den Lead-Out in der Fläche. Beim Einfahren merke ich dann, dass ich mit dem Kopf noch nicht ganz bei der Sache bin und verschalte mich mal zünftig. "Hauptprobe versaut, dann wird der Ernstfall gut". Und so ist es auch. Wir kommen alle drei gut weg und ich kann von Beginn weg ordentlich Dampf machen, so dass Fabio und Kili in meinem Windschatten auf Touren kommen können. Der Anstieg ist dann einfach nur hart, doch wir schaffen es, geschlossen als Team ins Ziel zu kommen und das mit einer klaren Bestzeit. Später erfahren wir, dass wir Dillier,Indurain und Elmiger über 10 Sekunden geben. Das gibt uns viel Selbstvertrauen und ist gut für den Kopf - morgen sind wir die Gejagten.

Nach einem kurzen Ausfahren verschieben wir uns in die Jugi, wo alles für den morgigen Tag vorbereitet wird. Es wird gekocht, gegessen, Räder bereit gemacht und so weiter. Am Abend gibt es noch ein kurzes Teammeeting, sodass jeder weiss, was er morgen zu tun hat. Um 21:30 werden die Lichter gelöscht. Doch die Nacht ist kurz, um 00:00 geht das Abenteuer Tortour so richtig los. Wer kann, schläft noch ein wenig und dann klingeln bereits die Wecker...

Tag 2, Freitag - Das Rennen

Frühstück, Anziehen, Material verladen. Jeder weiss, was er zu tun hat. Ein letztes abklatschen mit der Crew. "S wichtigste isch, dass mer hüt abig alli heil zrugg kömed !"

Es geht los. Wir rollen um 01:40 von der Bühne der IWC Arena und bereits nach 50 Metern sind wir kurz davor, uns zu verfahren. Wir nehmen es mit Humor und Kili führt uns mit seinem Garmin sicher aus Schaffhausen, bevor wir mit noch nicht all zu hohem Tempo Richtung Kreuzlingen fahren. Die Nachtfahrt hat uns allen ein wenig Sorgen gemacht, doch es geht ziemlich gut. Die ersten knapp 50 Kilometer nach Kreuzlingen werden als Team und ohne Begleitfahrzeug absolviert. Wir fahren einen guten Rhythmus, hier können wir das Rennen definitiv nicht gewinnen. Wir lassen uns auch nicht aus der Ruhe bringen, als uns das zweite 3er-Team überholt und ein Paar Sprüche klopft. "Wir sehen uns in den Bergen", kontern wir und fahren unser Tempo weiter.

Es ist irgendwie schon speziell, wenn man nachts durch die Dörfer fährt. Aus Backstuben kommen verlockende Düfte und hier und da kommen einem Partygänger oder Nachtschichtler entgegen. Ansonsten ist alles ruhig und dunkel.

Mit einem 38er-Schnitt erreichen wir Kreuzlingen, wo mich Fabio und Kili verlassen und ich alleine auf die nächsten 60 Kilometer nach Oberriet weiter muss. Das ist die erste mentale Hürde des Tages. Jetzt bin ich allein. Und bis der Funkspruch "Wir sind jetzt hinter dir" aus dem Begleitfahrzeug kommt, geht es auch nochmal 10 Kilometer. Ich versuche einfach, mein Tempo weiterzufahren. Wir müssen einmal kurz halten, um mein Rücklicht zu ersetzen und verfahren uns zwei mal kurz, aber nicht der Rede wert. Nach etwa 100 Kilometern setzt auch bei mir die Müdigkeit ein und ich bin froh, nach etwa 115 Kilometern Oberriet zu erreichen und Kili auf seine erste Solo-Etappe nach Chur zu schicken.

Es ist ungefähr 4 Uhr nachts und nach einem kurzen Ausrollen lege ich mich in den Bus, um ein wenig zu schlafen, während wir nach Chur fahren. Essen und regenerieren sind jetzt sehr wichtig. Ich bin zufrieden, wir sind auf Rang 2 platziert und ich konnte den 38er Schnitt auch auf meiner Solo-Etappe halten. Doch jetzt geht's dann erst richtig los.

Kili macht seine Arbeit hervorragend und kann den Rückstand auf die Führenden auf etwa 6 Minuten minimieren. Und auch Fabio bolzt von Chur ein super Tempo und mag bis Disentis die Führenden nicht nur ein- sondern auch überholen. Er übergibt mir als Erster und schickt mich in die mit Abstand härteste Etappe des Tages: Oberalp- und Sustenpass, 58 Kilometer und 2300 Höhenmeter. Jetzt gilt es erstmal, nicht zu überpacen. Ich finde früh einen guten Rhythmus und kann den bis auf den Oberalppass halten. Mit knapp 40 Sekunden vorsprung überquere ich die Passhöhe und muss an einem Rotlicht halten. Der 2.-platzierte Fahrer kann kurz darauf auf mich aufschliessen. Die Verkehrslage und die Baustellen ermöglichen keine flüssige und schnelle Abfahrt, sodass wir uns entscheiden, das Rennen bis nach Wassen mehr oder weniger zu neutralisieren und gemeinsam bis an den Fuss des Sustenpasses zu fahren. "Auf die 30 Sekunden kommt es ja nun auch nicht an.", sag ich zu Rico Elmer, meinem direkten Kontrahenten. Es zeichnet sich ab, dass wir mit dem Team Bär & Karrer um den Sieg kämpfen werden. Ich fühle mich immer noch gut und versuche auch hier, meinen Rhythmus zu fahren. Doch der Pass ist lang. Über 1500 Höhenmeter auf 18 Kilometer. Und irgendwann, etwa 7 Kilometer vor der Passhöhe verlassen mich langsam aber sicher die Kräfte. Und als Rico dann an mir vorbei zieht, beginnt das ganze doppelt zu schmerzen. "Fahr einfach deinen Rhythmus weiter", ruft mir Luca zu. Doch es wird härter und härter. Jetzt wird mir zum ersten Mal bewusst, woher das Rennen seinen Namen hat. Die Kilometer wollen einfach nicht enden und ich kämpfe um jeden Höhenmeter. Irgendwann viel zu spät verlange ich Schokolade aus dem Begleitfahrzeug, was mir die nötige Energie gibt, um die Passhöhe zu erreichen. Ich bringe erstmal kein Wort über die Lippen, muss mich hinlegen. Doch viel Zeit bleibt nicht, denn Kilian befindet sich bereits auf der Verfolgung der ca. 7 Minuten vor uns liegenden Erstplatzierten, und so müssen wir auch ziemlich Gas geben, damit Fabio rechtzeitig in Sachseln bereit steht. Im Auto kann ich mich langsam erholen, dass aber nochmal 100 Kilometer auf mich warten, möchte ich gar nicht wissen. Und erst jetzt fragen Fabio und ich uns, wie wir den Weg überhaupt finden sollen? Es gibt keine Beschilderung und ab jetzt ist die Streckenführung ziemlich kompliziert. Das heisst, dass die Navigation komplett über die Funkverbindung geschehen muss, eine Herausforderung für Begleitcrew und Fahrer. Aber wir können das jetzt nicht ändern, also machen wir das Beste draus.

Während Fabio von Sachseln nach Lenzburg "töfft" und die Führenden wieder überholen kann, versuche ich, mich so gut es geht auf die letzten zwei Etappen vorzubereiten. Es stehen nochmals 100 wellige Kilometer an und ich bin sehr angespannt, jetzt liegt es an mir. Auf ein mal geht's sehr schnell. Lukas rennt mit mir zur Wechselzone, um den Funk zu installieren und da kommt Fabio bereits um die Ecke. Der Wechsel verläuft gut, doch ich höre nichts auf dem Funk. Ohne Funk haben wir keine Chance, den richtigen Weg zu finden. Also müssen wir anhalten und das Gerät tauschen. Nach knapp 25 Sekunden ist der Funkwechsel vollzogen und jetzt können wir uns auf das Rennen konzentrieren. Im Minutentakt funkt mir Luca den Streckenverlauf : "Im Kreisel die 2. Ausfahrt nehmen,  an der Kreuzung links" und so weiter. Für die Crew eine riesen Herausforderung. Das Reglement verbietet es, direkt hinter dem Fahrer zu fahren und so müssen sie mich ständig überholen und an einem geeigneten Ort warten. Besonders in 30er Zonen, wo ich schneller bin als sie wird es zum Teil richtig brenzlig. An einigen Ampeln müssen wir zwar warten, doch das geht ja allen so. Es läuft gut und wir sind immer noch in Führung, wenn auch nur sehr knapp. Ich kann die knappe Führung nach Eglisau bringen, wo Fabio und Kilian auf mich warten, um die letzte Etappe zurück nach Schaffhausen in Angriff zu nehmen. Jetzt zählt's! Ich fühle mich zwar noch gut, merke aber, dass die Energie langsam schwindet. Trotz guter Verpflegung ist es etwa 25 Kilometer vor dem Ziel so weit, dass ich die anderen zwei bitten muss, weniger schnell zu fahren. In der Zwischenzeit hat es stark zu regnen begonnen. Fabio hilft mir, wo er kann und schiebt mich an. Kilian kämpft mit sich selber. Jetzt geht es ums harte Überleben. Jeder hat zu kämpfen, die Gegner nur knapp hinter uns. Die Begleitcrew steht an jeder Steigung mit Cola und pusht uns nochmals, obwohl auch sie komplett am Ende sind. Jeder einzelne Kilometer schmerzt und wir versuchen, uns gegenseitig zu motivieren. Der Regen hält immer noch an und so steigt irgendwann der Funkkontakt aus. Auch die Navigation über Kilian's Garmin funktioniert nicht mehr reibungslos. Etwa 10 Kilometer vor dem Ziel fangen wir uns und entscheiden, an der nächsten Steigung zu attackieren. Und es klappt! Wir können eine Lücke von etwa 30 Sekunden aufreissen lassen, und das nur 5 Kilometer vor dem Ziel. Das könnte reichen. Und auf einmal in einer Abfahrt höre ich "F**k, mier sind falsch", und noch bevor ich irgendwie reagieren kann, stürze ich über Kilian, der bereits am Boden rutscht und pralle hart auf der nasskalten Strasse auf. Wir rutschen und rutschen und kommen irgendwann zum Stillstand. Das geschah wohl in Sekundenbruchteilen, doch es fühlt sich wie eine halbe Ewigkeit an. Ich merke, dass ich mehrer Wunden habe und da kommen auch bereits die Helfer des anderen Teams, um uns zu verarzten. Unsere Gegner halten an und fragen, ob sie warten sollen. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir, dass der Sieg zwar verloren ist, aber an ein sehr sportliches und faires Team geht. Wir lassen uns kurz verpflegen, die Fahrräder wieder richten und machen uns auf die letzten 5 Kilometer. Alles schmerzt, mir ist kalt und jetzt kommen auch noch die Krämpfe. Wie geschlagene Krieger schleichen wir in Richtung IWC Arena. Es ist vorbei. Wir rollen in die Arena, unsere Helfer erwarten uns. Wir schliessen uns in die Arme, es fliessen Tränen. Es sind nicht Tränen um den verlorenen Sieg. Es sind Tränen der Emotionen, des Schockes vom Sturz. Wir sind einfach nur froh, im Ziel zu sein und uns nicht ernsthaft verletzt zu haben. Dass Jonas, meine Eltern und Urs mit seiner Familie im Ziel warten, freut mich sehr. Doch jetzt heisst es erstmal duschen, Wunden versorgen und essen. Das Abenteuer endet mit Rang 2 und einem super Erlebnis.

Teil 2 - Anekdoten des Teams

Luca Tavasci, Begleitteam

"Es geschah während der letzten Etappe. Wir waren seit 15 (?!) Stunden unterwegs. Wir (die Betreuer) waren für nichts mehr zu gebrauchen ausser eines: alles zu tun, um die 3 Jungs als erste ins Ziel zu führen. Sie brauchten schnelle und häufige Verpflegung nach bald 550km. Also hielten wir bei fast jedem Anstieg der Schlussetappe an, um sie anzufeuern und sie vor allem mit Cola zu versorgen.
Da stand ich mit meinem Cola-Bidon am Strassenrand. Bis die drei Jungs mir "Schoggi" und eben nicht "Cola" zuriefen. Also meine Überlegung mit den noch wachen Neuronen :" Er - Schoggi - jetzt". So rannte ich zum Bus, griff zum ersten Snickers in der Verpflegungsbox und habe dieses den vorbeifahrenden Fahrern angeworfen.
Habe dabei vergessen, dass es vielleicht eleganter und zielführender gewesen wäre, dem Fahrer die Schokolade bei der Vorbeifahrt in die Hand zu drücken und nicht ihn bloss damit abzuschiessen."

So entstand die Legende des #flyinchocolate's

Fabio Lechner, Rennfahrer

"Mein Magic-Moment war beim Mannschaftszeitfahren auf der ersten Etappe am morgen früh, als uns die Anderen (das zweite Team) überholten und uns beim Vorbeifahren zuriefen : "Fahred doch chli schneller - Chönder nüme meh? - Hender nur am Prolog möge?". Wir antworteten "Jojo, wartend nur,mier gsehnd üs wider ide Berge." Wir konnten als sehr junges Team die Ruhe bewahren und liessen uns nicht provozieren sondern fuhren unseren Rhythmus weiter. Und das Beste war dann natürlich, als wir sie in den Bergen dann auch tatsächlich wieder eingeholt hatten. "

Lukas Stucki, Begleitteam

"Für mich als Radsportlaie war dies ein sehr besonderes Erlebnis. Gerade am Abend nach dem Prolog konnte ich beim Pflegen der Räder nicht viel helfen. So war ich dann für das Abendessen zuständig, das wir uns selber im Jugi-Zimmer gekocht hatten. Damit sich nicht rumspricht, dass wir im Jugendherberg-Zimmer Pasta kochen, sprachen wir nur noch vom "Putzen". Das wurde dann natürlich zum "Running-Gag" des Abends: aus dem Kochtopf wurde der Putzeimer, aus der Sauce das Putzmittel und so weiter.

Es war ein unvergessliches Erlebnis, einerseits weil es mein erstes Fahrradrennen war, das ich aktiv verfolgt habe, andererseits weil es bereits zu früher Morgenstunde begann. Dadurch dachte ich etwa morgens um zehn es wäre bereits Nachmittag, was ein bisschen für Verwirrung gesorgt hatte. Der Sturz kurz vor Schluss war natürlich extrem bitter, wenn ich jedoch daran denke, dass es das erstes Rennen dieser Art für die Fahrer war, dann ist es eine sehr starke Leistung von ihnen.
Alles in allem ein gelungener Tag und für mich ein gelungener Einstand in die Radsportszene ."

Bruno Silva, Begleitteam

"Für mich war das bis jetzt eine Premiere und ich bin froh, dass ich bei dem Erlebnis dabei war, wenn auch "nur" als Supporter. Mir wird in Erinnerung bleiben, dass es ein super Team war, die alle mit Freude dabei waren und super funktioniert haben. Auf jeden Fall bleibt mir auch, dass man sehr früh aufstehen musste, respektive mit sehr wenig Schlaf an das Rennen ging. Die Etappen haben mir sehr gefallen, man hat sehr schöne Orte gesehen. Es war sicherlich ein sehr anstrengendes Rennen für die Fahrer aber auch für alle Betreuer. Das Schwierigste war sicherlich, die Rennfahrer auf der richtigen Strecke durch die Orte zu navigieren, aber auch, dass wir am Schluss gestürzt sind. Mit dem Resultat bin ich aber sehr zufrieden, ich denke, niemand hat erwartet, dass wir so abräumen können. Ich persönlich habe auch nicht gedacht, dass wir vorne mitfahren können, als ich gesehen habe wie die anderen Teams besetzt sind. Es wird auf alle Fälle in Erinnerung bleiben und es war das erste Rennen dieser Art - definitiv mit den richtigen Leuten."

Kilian Badrutt, Rennfahrer

"Noch am Montag habe ich gedacht, dass ich die Tortour als stolzer Betreuer im Begleitfahrzeug in Angriff nehmen werde und plötzlich fand ich mich als Rennfahrer an der Startlinie des Prologs wieder. Ich bin meinen Mitfahrern und dem Support-Team unglaublich dankbar, dass sie mir das ermöglicht haben. Unser Auftritt am Prolog ist etwas, dass ich nie wieder vergessen werde. Auch der Zusammenhalt im Team sowie die Seriosität, Professionalität und Einstellung in unserem jungen Alter hat mir grossen Eindruck gemacht. Der Sturz war ein Moment, an dem uns unsere Grenzen aufgezeigt wurden und uns auch gezeigt wurde, wie nah Erfolg und Misserfolg zusammenliegen können. In meinen Augen haben wir aber nicht den 1.Platz verloren (und ein paar Fetzen Haut und Trikot) sondern viel mehr den zweiten Platz gewonnen. Wir haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen, einen genialen Tag erlebt, unsere Freundschaft gestärkt und unsere Leidenschaft ausgelebt. Und wer weiss, ob wir eines Tages zurückkehren werden."

Nicolá Hartmann, Betreuerteam

"Die Tortour war für mich ein super Erlebnis. Es war für mich zum ersten Mal die Sicht vom Betreuer aus und nicht als Fahrer. Origanisatorisch wie auch mental ist dieses Rennen eine sehr grosse Herausforderung.
Das zusammenarbeiten zwischen ALLEN Betreuern und Fahrern ist etwas ganz spezielles an diesem Rennen und hat unser Team zum Erfolg gebracht, das war genial."

Corsin Simeon, Betreuerteam


12.August 2018 - Eiger Bike-Challange Grindelwald

Start in die zweite Saisonhälfte

Das Rennen in Grindelwald gehört definitv zu meinen Favoriten. Die Strecke liegt mir sehr und ich konnte hier schon einige Erfolge feiern, zu letzt den zweiten Rang im Vorjahr. Nach dem Radmarathon hatte ich einge Wochen Rennpause und konnte nochmals gut trainieren, denn die Saison ist noch lange und es kommen noch ein paar harte Rennen, zum Beispiel die Eiger Bike-Challange.

Ich bin zum ersten mal als Leader der Garmin Marathon Classics am Start und freue mich riesig auf das Rennen. Nach dem Startschuss läufts eigentlich so wie immer in Grindelwald: es gibt einige Fahrer die fürs Tempo sorgen und ich kann mich durchs Dorf ziemlich gut im noch sehr grossen Feld verstecken. Es geht direkt nach dem Start gut 20 Kilometer und über 1000hm bergauf. Ich merke sehr früh, dass ich gute Beine habe und so setze ich mich noch vor dem Hotel Wetterhorn an die Spitze des Feldes und sorge für ein hohes Tempo. Ich versuche es mit Geduld und halte das Tempo konstant hoch, sodass ein Fahrer nach dem anderen abreissen lassen muss. Auf der grossen Scheidegg sind wir noch zu fünft und auf dem First gar nur noch zu dritt. In der darauffolgenden Abfahrt unterläuft mir aber ein Fahrfehler und ich stürze in einer technischen Passage. Ich komme zwar ohne grosse Schmerzen oder Defekten davon verliere aber wertvolle Sekunden auf die zwei Führenden. Und wie es eben ist fährt man nach einem Sturz ein wenig verhaltener hinunter und so verliere ich in den Abfahrten jeweils einige Sekunden. Im Aufstieg zum Bort kann ich die Lücke zum Zweiten fast schliessen, es fehlen mir aber die entscheidenden Meter und in der darauffolgenden Abfahrt verliere ich bereits wieder die eine oder andere Sekunde. Irgendwann finde ich mich mit Rang 3 ab und möchte den "save" ins Ziel bringen. Was mir mit einer Zeit von 2:50:19 und somit auch neuer PB gelingt.

Mit dem Resultat kann ich auf meine direkten Gegner für die Gesamtwertung weiter Punkte gut machen. Ich war mit grossen Erwartungen an mich selber an dieses Rennen gegangen, musste aber eingestehen, dass man ein Rennen im Uphill alleine nicht gewinnen kann. Die nächste Chance bietet sich bereits in knapp 2 Wochen an meinem Heimrennen, und das erneut im Leadertrikot!


8.Juli 2018 - Engadin Radmarathon

Als Aussenseiter am Heimrennen

Der Engadin Radmarathon hat für mich eine spezielle Bedeutung. Das Rennen wird auf den Strassen ausgetragen, auf denen ich hunderte von Kilometer im Jahr trainiere. Es führt über die Pässe, die ich dutzende Male hoch- und wieder runterfahre. Ich kenne jeden Meter, jede Kurve, jede Steigung - es ist mein Heimrennen. Und trotz meiner guten Form, gehöre ich nicht zu den Favoriten, denn es sind starke Strassenfahrer am Start, die zum Teil schon Rennen gefahren sind, als ich noch mit Stützrädern unterwegs war. Ich bin also definitiv ein Aussenseiter - und genau das will ich mir zunutze machen.

 

Ich hatte mir schon länger mal überlegt, was es für Möglichkeiten gibt für mich, um dieses Rennen zu gewinnen. Wenn ich mit der ersten grossen Gruppe ins Ziel kommen sollte, wird es zum Massensprint kommen. Ich bin kein schlechter Sprinter, doch fehlt mir einerseits die Erfahrung und andererseits der Mut, dahin zu gehen, wo es eben auch weh tun kann, da wo mit Ellenbogen um die vordersten Positionen gekämpft wird. Am Bernina anzugreifen habe ich letztes Jahr versucht, das ist alleine unmöglich, das Feld ist zu stark, um es auf fast 50 Kilometern alleine zu bezwingen. Mein Plan ist also, mit zwei oder drei Kollegen direkt in der ersten Steigung Richtung Ofenpass anzugreifen, um dann mit gutem Teamwork durchzukommen und als kleine Ausreissergruppe ins Ziel zu fahren. Wird der Plan aufgehen?

 

Sonntagmorgen, kurz vor sieben Uhr in Zernez, es ist kalt, doch der Tag verspricht schön zu werden. Ich bin nervös, denn wir wollen gleich nach dem Start angreifen. Mit "wir"  meine ich zwei meiner Berninasport Teamkollegen (Lars und Micha) und Philipp, der für das Avoras Team unterwegs sein wird. Zu viert sollte es drinliegen, bis auf den Bernina ein wenig Zeit gutzumachen. Leider kann ich wegen einem organisatorischen Zwischenfall nicht einfahren und komme erst sehr spät in den Startblock, weshalb ich mit Lars zusammen ziemlich weit hinten einstehen muss. Zum Glück ist am Anfang ein Stück neutralisiert und Lars und ich können uns nach vorne kämpfen. "Also, gömmer", sagt Lars als wir den Fuss der Steigung erreichen. Wir sprinten aus dem Feld, dicht gefolgt von Philipp und einem weiteren Avoras Fahrer, jedoch ohne Micha, der noch mit einem viralen Infekt zu kämpfen hat. Doch die Attacke tut weh. Nicht nur mir, auch Philipp, Lars und dem anderen Fahrer. Wir müssen die Aktion abbrechen. Der Kaltstart macht das ganze zu schwierig und für Lars und mich ist klar, dass wir es zu zweit kaum schaffen. Also lassen wir das Feld wieder heranfahren und die nächsten gut 30 Kilometer passiert ziemlich wenig. Das Tempo ist tief, die Gruppe riesieg und es bleibt Zeit, sich ein wenig auszuruhen und das weitere Vorgehen zu besprechen. Lars und ich sind uns einig, dass wir an der Forcola nochmals angreifen werden.

Als die Steigung beginnt, setze ich mich mal an die Spitze des Feldes, Lars nur wenige Positionen hinter mir und auch Philipp sehr gut platziert. Ich schalte drei vier Gänge hoch und kann sehr schnell eine Lücke aufreissen. Nach ein paar Metern merke ich, dass Lars an meinem Hinterrad dran ist und so drücke ich weiter. Bereits nach wenigen Metern beträgt der Abstand zum Feld schon fast 20 Meter. Lars und ich schauen uns an, "Jetzt müemer durezieh".  Wir wechseln uns ab mit der Tempoarbeit und können fast eine Minute rausfahren bis zur Passhöhe der Forcola. Jedoch hat ein weiterer Fahrer - Daniel Widmer - die Verfolgung auf sich genommen und kann, sehr im Interesse von Lars und mir, die Lücke bereits in der technischen und schnellen  Abfahrt von der Forcola schliessen.  Zu dritt nehmen wir also den Berninapass in Angriff und auch jetzt machen vorwiegend Lars und ich das Tempo. Ziemlich am Limit kämpfe ich mich auf die Passhöhe, wo der Vorpsrung bereits 1:30 beträgt. Uns dreien ist allen bewusst, dass jetzt 50 sehr sehr harte Kilometer zurück nach Zernez folgen. Wir zu dritt gegen eine knapp 20 Mann starke Gruppe, und gegen den Gegenwind. Meine Erwartungen werden erfüllt. Ich fahre jede Ablösung am Limit, nachher folgen ein paar Minuten Erholung im Windschatten, dann wieder Vollgas am Limit, kurz erholen, Limit, erholen, Limit, erholen. Jede Ablösung wird härter und härter, doch es funktioniert hervorragend. Zu keinem Zeitpunkt können wir hinter uns die Verfolger ausmachen, wissen aber auch nicht, wie gross der Vorsprung ist. (Wir können sogar Zeit gut machen, was wir aber erst im Ziel erfahren.)

"Das chönt lange", sagt Lars etwa 5 Kilometer vor dem Ziel. Er könnte recht haben. Im schlechtesten Fall dritter wäre ja schon ein geniales Resultat. Jetzt steigt die Nervosität. Knapp 3 Kilometer vor dem Ziel realisiere ich, dass ich es in der Hand habe, ob ich mein Heimrennen gewinne oder nicht. Wer weiss, wann die Chance wieder so gut ist wie jetzt. Und Lars betonte vor dem Rennen auch, dass er seine Helferdienste mir zugute kommen lassen wird, wenn es darauf an kommt. Während meiner letzten Ablösung geht mir so einiges durch den Kopf. Ich lass mich zurück fallen und Lars gibt mir zu verstehen, dass er den Sprint anziehen wird. "Tack tack" knapp 400 Meter vor dem Ziel schaltet er hoch, sprintet aus dem Windschatten, ich hinterher. Wie eine alte Dampflokomotive brauche ich einige Pedalumdrehungen, bis ich auf Tempo komme und dem Ziel entgegen sprinte. Ich muss als erster in die letzte S-Kurve und die enge Linie fahren. So bräuchte Daniel  den langen Weg, um zu überholen und tatsächlich: es reicht. Ich gewinne mein Heimrennen. Und Lars wird dritter. Was für ein geniales Rennen. Die Freude über die gelungene Flucht ist bei uns allen riesig und jeder weiss, dass es ohne die anderen zwei nicht gegangen wäre. Dass am Ende nur einer gewinnen kann, ist klar und ich hatte Glück, dass Lars seine letzten Kräfte für mich aufgeopfert hat. Jedoch war der Sieg nur durch die sensationelle Zusammenarbeit in der Fluchtgruppe möglich. An dieser Stelle Danke an Daniel Widmer für die Zusammenarbeit und natürlich Lars für die tolle Teamarbeit. Das Philipp sich noch Rang vier ersprintet, freut mich nochmals und als dann auch Micha ins Ziel einfährt und klar ist, dass wir auch die Teamwertung gewinnen werden ist der Tag perfekt. An der Siegerehrung werde ich zudem noch als schnellster Engadiner belohnt und die Glückwünsche nehmen kein Ende, ein genialer Tag.

 

Zu dem Zeitpunkt kann ich noch nicht wissen, dass dieser "geniale Tag" für andere Personen in meinem Umfeld ein schrecklicher Tag ist. Mit grosser Fassungslosigkeit erreicht mich heute die Nachricht, dass ein Kumpel von mir, den ich ebenfalls über den Radsport kennengelernt habe, seinen Vater bei einem Bergunglück verloren hat. Da wird dieser Erfolg und das Rennen eine sehr, sehr kleine Nebensache. Meine tiefsten Gedanken sind bei der Familie, mit der ich vor einigen Jahren ein unvergessliches Erlebnis am 24-Stunden-Rennen in Davos teilen durfte.


24.Juni 2018 - Bergibike Bulle

Schnelles Rennen um den Gibloux

Wie letztes Jahr übernachteten wir in Düdingen auf dem Campingplatz. Nach dem dritten Rang im Schwarzwald war ich voll motiviert und voller Selbstvertrauen. Jedoch bremste mich eine leichte Erkältung unter der Woche ein wenig aus, sodass ich mir nicht ganz sicher war, wie fit ich am Sonntag sein werde. Aber es kam nicht so schlecht...

 

Letztes Jahr war ja schon eine verrückte Saison: bei jedem Rennen auf dem Podest aber nie zu oberst. Es wäre also der erste Sieg hier in Bulle. Beim Einfahren am morgen fühle ich mich gut, merke aber, dass die Lunge noch ein wenig brennt. Egal, es tut sowieso weh. Mir ist bewusst, dass das Feld weniger stark besetzt ist, als noch die Woche zuvor in Deutschland. Aber mir ist auch bewusst, dass bei so einem kurzen und relativ flachen Rennen viele schnell mitfahren können. Dazu kommt, dass die Strecke für ein Marathonrennen einige technische Stellen bereit hält, was mir nicht nur entgegen kommt.

Der Startschuss fällt um viertel vor 9 und wie erwartet ist das Rennen von Anfang an schnell und ich bin massgeblich an der Tempoarbeit beteiligt. Durch den Wald von Rossens bildet sich schnell eine kleine Spitzengruppe, der unter anderem auch Pascal Kiser, mein wohl stärkster Konkurrent im Kampf um die Gesamtwertung, angehört.

Die Gruppe bleibt die ersten Kilometer zusammen, bis ein Fahrer ausreisst, jedoch nie sehr weit wegkommt. Für mich ist die Situation bis zur Rennhälfte also relativ komfortabel. Im Aufstieg zum Gibloux drücke ich ordentlich aufs Tempo und kann den Ausreisser problemlos ein- und überholen. Ich weiss aber, dass ich in der Abfahrt vom Gibloux runter bestimmt Zeit verlieren werde. Und so kommt es auch, dass mich dieser Fahrer wieder einholt. Ich kann aber in den Abfahrten seine sehr gute Linie übernehmen und an ihm dran bleiben. Bei der letzten Wiesenabfahrt kann er aber trotzdem ein Lücke aufreissen. Ich weiss, dass die letzten Kilometer flach sein werden und ich die Lücke nochmals zufahren kann. So geschieht es auch und es zeichnet sich ein Sprint ab. Auf den letzten Kilometern beginnt also das Pokern. Ich versuche meinen Gegner mit zwei Scheinattacken zu verunsichern, was mir aber nicht ganz gelingt. Ich muss als erster in die verwinkelten Passagen kurz vor dem Ziel kommen. Mein Gegner bleibt die ganze Zeit hinter mir und so muss ich aufmerksam bleiben und warte seine Attacke ab. "Tack tack", er schaltet hoch, ich kontere. Beim Antritt rutscht er aus dem Pedal und sein Fuss landet in meinen Speichen. Nur durch die Tatsache, dass wir wohl beide nicht zum ersten Mal auf dem Bike sitzen, kommt es nicht zum Sturz. Aber er ist jetzt deutlich im Nachteil und ich kann seinen Fehler ausnutzen und als erster auf die kurze Zielgerade einbiegen und meinen ersten Sieg einfahren.

Natürlich hatte ich ein wenig Glück und profitierte von seinem Fehler aber das gehört zum Radsport dazu. Cool bleiben ist das A und O beim Zielsprint, aber nicht ganz einfach. Besonders dann nicht, wenn der Gegner hinter einem ist und man nie weiss, wann die Attacke kommt.

 

Dank dem Sieg bin ich neuer Leader der Garmin Bikemarathon Classics und werde in Grindelwald zum ersten Mal überhaupt im Leadertikot starten.

 

Vielen Dank an meine Eltern, die mich einmal mehr am Rennen begleitet haben.


17.Juni 2018 - BlackForest Ultra Bike Marathon (D)

Der erste Streich

Die Vorgeschichte

Eine Sache am Sport, die ich sehr schätze, ist die Möglichkeit immer neue, sehr interessante Leute zu treffen, von ihnen zu lernen und sogar neue Freundschaften aufbauen. Philipp Birkner ist so eine Person. Ich lernte ihn vor gut einem Jahr an den Engadiner Abendrennen kennen. Seit da sind wir einige Male zusammen trainieren gegangen und wir haben uns immer sehr gut verstanden. Aber die sportliche Verbindung und die Tatsache, dass wir beide immer für "es Witzli" zu haben und uns nicht zu schade sind, auch mal über uns selbst zu lachen, ist nur eine Seite unserer Bekanntschaft.

Jetzt kommt die Sache mit dem "wirfueryannic" und den gelben Armbändern ins Spiel. Manch einer mag sich gefragt haben, was es mit dem auf sich hat und wieso ich am vergangenen Sonntag nicht wie gewohnt im Trikot von Berninasport unterwegs war.

 

Yannic war ein guter sportlicher aber auch privater Freund von Philipp. Er nahm sich mit nur 26 Jahren das Leben. Wie sich später herausstellte, war Yannic an Depressionen erkrankt und sah keinen anderen Ausweg als den Tod. (In einem Interview erzählt Philipp die ganze Geschichte).

Dieses Ereignis bewog Philipp mit anderen Freunden und Yannics Familie den Verein "wirfueryannic" zu gründen. Denn Depression ist in unserer Gesellschaft leider ein Tabu-Thema und wird nicht wirklich als Erkrankung anerkannt. Mit diesem Verein soll auf das Thema aufmerksam gemacht werden und wie der Slogan #letsbeatdepression sagt, das Tabu gebrochen werden. Leuten, die an Depressionen leiden, soll es leichter fallen, darüber zu sprechen und Hilfe in Anspruch zu nehmen.

 

Da mich diese Geschichte so sehr berührt und traurig gemacht hat, wollte ich den Verein unbedingt unterstützen und an diesem Rennen im Schwarzwald für den Verein "wirfueryannic" starten.

Das Rennen

Bereits am Freitagabend sind wir angereist und ich durfte das ganze Wochenende in der WG von Philipp und Cornelius, die beide auch am Rennen teilnahmen, wohnen. Den Samstag haben wir relativ gemütlich verbracht, um uns optimal auf das Rennen vorzubereiten. Für mich standen am Sonntag knapp 80 Kilometer und 2200 Höhenmeter auf dem Plan, immerhin das zweitlängste Rennen meiner Saison und mit dem Deutschen U23 Meister im Crosscountry  und weiteren Spitzenfahrern, war das Rennen auch ganz gut besetzt. "Wenn es gut läuft, liegt vielleicht ein Top10 Platz drin" ,dachte ich mir...

 

Es ist eine neue Situation. Ohne Support, mit zwei Bidons am Start und auf die Verpflegung vom Veranstalter angewiesen, eine neue Strecke, unbekannte Fahrer. Aber ich habe ja nichts zu verlieren. Um 7:45 geht es los ,das Tempo am Anfang ist noch ganz angenehm und es bleibt Zeit, um den Rhythmus zu finden. Doch am Fuss des ersten Anstiegs wird die bis dahin etwa 20 köpfige Spitzengruppe ordentlich gesprengt. Etwa 7 Fahrer mögen bei der Tempoverschärfung mitziehen - und ich gehöre nicht dazu. Doch bereits kurze Zeit später kann ich im Aufstieg 2 Fahrer ein- und überholen und auf weitere zwei Fahrer aufschliessen. Zu dritt (auf den Positionen 4,5 und 6) sind wir uns bald mal einig und können mehr oder weniger gut zusammenarbeiten. Doch das Tempo fällt immer wieder zusammen, zu unwahrscheinlich scheint es, dass wir das Spitzentrio nochmals einholen können. Mir gefällt die Situation nicht so. "Aufgeben" ist sowieso nicht so mein Ding und ich möchte auch nicht, dass weitere Fahrer zu uns aufschliessen können, was dann aber nach dem Titisee doch passiert und wir also zu fünft weiterfahren. Irgendwie spüre ich, dass das Rennen noch nicht gelaufen ist und will das Tempo hoch halten, was aber nicht ganz im Sinne aller Fahrer meiner Gruppe ist. Und es kommt das, was leider zum Bikesport dazugehört und jeden mal erwischt: ein Fahrer des Spitzentrios steht am Streckenrand mit einem Defekt. Ich fühle mich irgendwie bestätigt in meinem Vorhaben, noch nicht aufgeben zu wollen. Jetzt fahren wir zu fünft um den dritten Podestplatz und als ein Fahrer das Tempo erhöht, müssen die beiden Fahrer, mit denen ich lange die dreiköpfige Verfolgergruppe gebildet habe, abreissen lassen. Ich kann aber mithalten und fühle mich etwa 25 Kilometer vor dem Ziel noch relativ stark. Und als der "Tempoverschärfer" wieder ein wenig Tempo rausnimmt, schalte ich ohne zu Überlegen nochmals einen Gang höher und ziehe davon. "Fäde, jetzt spinnsch", denke ich mir. 25 Kilometer vor dem Ziel anzugreifen, ist eine sehr gewagte Aktion. Ich kenne die Strecke nicht und wenn's hinten nochmal zum Zusammenschluss kommt und gut gearbeitet wird, kann es sehr gut sein, dass sie mich wieder einholen. Aber ich beisse auf die Zähne und bolze alleine weiter, ohne zurück zu schauen. Kilometer um Kilometer und es wird härter und härter. Ich gehe volles Risiko ein in jeder Abfahrt und drücke jede Steigung am Limit. Einfach nicht nachlassen. Die vielen Zuschauer motivieren mich immer wieder aufs neue und ich versuche, einfach alles rauszuhauen. In der letzten Steigung kann ich die ersten zwei Verfolger sehen und den Vorsprung auf etwa 45 Sekunden schätzen. Es kann reichen, aber "safe" ist noch gar nichts. Volle Konzentration in der letzten Abfahrt und "all-out" auf dem Flachstück und durch den Campingplatz, wenige hundert Meter vor dem Ziel. Als ich ins Sportstadion von Kirchzarten einbiege und das Ziel nur noch wenige Meter entfernt ist, wird mir klar: "das reicht."

Unglaublich. Ich sitze in der Winners Lounge, mir wird was zum trinken offeriert und ich gebe dem Speaker und dem ganzen Sportstadion Auskunft was passiert war, denn niemand hatte mich auf der Rechnung, auch ich nicht. Mir fehlen auch jetzt noch die Worte, aber ich bin natürlich überglücklich und mit 6 Minuten Rückstand auf den Deutschen U23 Meister bei knapp 3 Stunden Rennzeit kann ich meiner Meinung nach auch zufrieden sein.

 

Vielen Dank an Hannah,Cornelius und Philipp für die Gastfreundschaft an diesem Wochenende, den gemütlichen Fussball-Abend nach dem Rennen, die Pastaparty am Samstagabend, die Freiburger Stadtführung und und und... Ihr habt es euch selbst eingebrockt: Ich komme wieder ;-)


02.Juni 2018 - Ortler Bikemarathon

Der Kampf gegen die starken Italiener

Der Ortler Bikemarathon gehört definitiv zu meinen Lieblingsrennen. Letztes Jahr konnte ich dort meinen ersten Overall-Podestplatz feiern und die Strecke liegt mir eigentlich ganz gut. Umso erfreuter war ich, als im Herbst bekannte wurde, dass dieses Rennen in der Saison 2018 in die Garmin Bikemarathon Classic Serie aufgenommen wird. 

Ich bereitete mich im Vorfeld sehr gut auf das Rennen vor und wollte nichts dem Zufall überlassen. Ich reiste bereits am Freitagabend mit Bruno Silva (meinem Swiss-Epic-Partner und Trainingskollegen) an, und wir konnten bei der Familie Traut in Goldrain übernachten. Ich hatte mir auch einen Plan für das Rennen zurecht gelegt, der etwa so aussah: " Bis zum Reschensee so gut es geht in der ersten Gruppe verstecken, um Kraft zu sparen und dann auf mögliche Attacken reagieren zu können. Im langen Aufstieg noch nicht alles geben, so dass ich in den kurzen Gegensteigungen vor Schlanders noch genügend Kraft habe, um eine allfällige Gruppe zu splitten." Doch es kam anders...

Ich reihe mich kurz vor dem Start ein. Eigentlich dürfte ich vorne starten, doch die Blöcke rücken bereits zusammen, als ich einstehen möchte. Also reihe ich mich irgendwo um Position 50 ein, es gibt schon noch Möglichkeiten um nach vorne zu kommen. Und so schnappe ich mir das Hinterrad von Mathias Alig. Der erfahrene Marathonspezialist weiss genau, wie man in solchen Situationen nach vorne kommt. Und so geht es nicht lange, bis ich mich in den ersten 12 Fahrern einreihen kann. Anders als im letzten Jahr ist das Tempo bereits jetzt sehr hoch und ich muss schon kurz nach dem Start nah an meine Grenzen gehen, um in der Spitzengruppe zu bleiben, die sich kurz nach Burgeis aus mir und acht weiteren Fahrern gebildet hat. Es gibt immer wieder Versuche von Fahrern, aus dieser Gruppe auszubrechen, doch es gelingt keinem. Dies hat aber zur Folge, dass der Rhythmus immer und immer wieder gebrochen wird und richtig "gebolzt" wird. Nichtsdestotrotz kann ich den ersten Teil meines Plans umsetzen und bis zum Reschensee im Windschatten der sehr starken und erfahrenen Italiener fahren. Als es dann aber nach dem See in eine schnelle und kupierte Waldpassage geht, lassen die zwei Fahrer vor mir eine Lücke von etwa 5 Sekunden aufreissen, die ich wieder schliessen muss und dabei viel Energie verbrauche - und Nerven. Denn während ich eine enge Kurve ausfahre (wie das Spitzenmotorrad und die erste Gruppe) nehmen die zwei Fahrer hinter mir ,welche die Lücke aufreissen liessen, eine kleine Abkürzung und sind wieder vor mir. Das finde ich alles andere als ok und sage diesen Fahrern auch gleich meine Meinung zu dieser Aktion. Es kommt aber nochmals zum Zusammenschluss bevor es in den Trail vor Planeil geht, wo die Gruppe endgültig auseinander fällt und ich den Grossteil der anderen ziehen lassen muss. Im langen Aufstieg zum Panorama Mösl versuche ich zwar noch, zu zwei Fahrern aufzuschliessen, was mir aber nicht gelingt und dazu führt, dass ich fortan alleine unterwegs bin. Es passiert auch nicht mehr viel bis auf den kurzen Schreckmoment, als in Schlanders (KM45) ein kleines Mädchen kurz vor mir auf die Strasse läuft, dem ich aber noch knapp ausweichen kann. Im letzten Flachstück trete ich noch die letzten Reserven in die Pedale und erreiche das Ziel als achter, mit knapp 6 Minuten Rückstand auf den Sieger. 

 

Anfangs war ich nicht so zufrieden, doch mit ein wenig Abstand kann ich die positiven Dinge aus dem Rennen nehmen: Als erster Schweizer kann ich einige wertvolle Punkte für die Serienwertung mitnehmen und es reichte trotzdem noch für eine dieser leckeren "Fresskisten" voll mit Südtiroler Spezialitäten. 

Ich weiss jetzt, woran ich noch arbeiten muss und konzentriere mich bereits auf das nächste Rennen im Schwarzwald. 


22.April 2018 - Proffix Bike Cup Schaan

Vom Pinguin in der Wüste

"Es war einmal ein Pinguin. Dieser Pinguin fuhr ab und zu schnell Fahrrad. An einem sonnigen Sonntag war der ab und zu schnell Fahrrad fahrende Pinguin zu Gast in einem kleinen Land am Rand der grossen Schweiz. Dieses kleine Land war als "Lichtenstein" bekannt. Lichtenstein ist ein Wüstenland. In der Morgensonne ging der Pinguin im Wüstenland Lichtenstein an den Start des Proffix Swissbikecup. Er fühlte sich eigentlich ganz wohl auf der Strecke. Denn es ging direkt nach dem Start sehr lange (148 Höhenmeter) hinauf, was dem Pinguin mit Steinbockgenen entgegen kam. Was dem Pinguin mit Steinbockgenen weniger entgegen kam, war die Hitze im Wüstenland Lichtenstein. So fuhr der Pinguin die ersten 3 Runden um den 40. Rang. Eigentlich lief es ihm nicht schlecht und er konnte im langen Aufstieg immer wieder einige Fahrer ein- und überholen. Doch wer Pinguine mit Steinbockgenen kennt weiss, dass diese nicht so schnell herunterfahren wie normale Radfahrer. Deshalb verlor der Pinguin die eine oder andere Sekunde in der Abfahrt. Ab der 4.Runde von 7 wurde es dem Pinguin langsam unangenehm heiss und er musste merken, dass er nicht mehr ganz so schnell fahren konnte, wie er eigentlich wollte. In der 5.Runde macht der Pinguin dann innert kürzester Zeit drei Fahrfehler und verlor wertvolle Zeit und den Anschluss an 2 andere Fahrer. "Jetzt muesch nomol de Arsch zemerisse", sagte sich der Pingu als er den Rockgarden beinahe mit einem Purzelbaum verlassen hatte und konnte eine solide sechste Runde fahren. Eine sechste Runde die er fuhr als, wäre es die letzte, denn das Motorrad hatte ihn bereits überholt. Doch er schaffte es noch durch Start-Ziel, bevor er vom Sieger überrundet wurde. Und in der siebten Runde merkte der Pinguin, dass er die vorherige Runde gefahren ist, als wäre es die letzte. Irgendwie fuhr er dann den 41.Rang ins Ziel. Nach dem Rennen war der Pinguin ziemlich kaputt von der heissen Wüstensonne im Lichtenstein. Mit einer Staubschicht im Gesicht und komplett überhitzt legte er sich ins Gras. Und wenn er nicht gestorben ist, dann liegt er immer noch in den Wiesen von Schaan."

 

OK - die letzte Zeile war ein wenig übertrieben, aber ansonsten wiederspiegelt sich die Geschichte vom Pinguin in der Wüste ziemlich genau in meinem heutigen Rennen, was für ein Zufall.

Vielen Dank an die Familie Vetsch, die mich sehr gastfreundlich beherbergten. Ein weiterer Dank geht einmal mehr an meine Eltern für alles, was sie für mich machen.

 

Ob ich in Solothurn starten werde, ist noch offen. Auch wenn das Resultat auf dem Papier nicht sehr glänzend aussieht bin ich zufrieden mit dem Rennen und weiss, dass ich auf dem richtigen Weg bin, denn "meine" Rennen kommen noch.

(Fotos: Marcel Hänni)


8.April 2018 - Tamaro Trophy Rivera

Saisonstart im Tessin

Es ist jedes Jahr dasselbe: die Motivation für die neue Saison ist riesig, ich kann nicht mehr warten auf den Startschuss zur neuen Saison. Wie letztes Jahr starte ich in Rivera im Tessin in die Saison, wie letztes Jahr sind wir mit dem Wohnmobil unterwegs und wie letztes Jahr fahre ich das Rennen mit einem völlig neuen Bike, dem Ninety Six von Merida, ein Race-Fully . Vor dem Rennen habe ich knapp 100 Kilometer auf dem neuen Bike gemacht, nicht sehr viel also. Doch es war leider nicht anders möglich. Aus verschiedenen Gründen konnte ich dieses Jahr nicht ins Trainingslager und im Engadin liegt noch sehr viel Schnee. Zudem habe ich im Januar in Zug mit einer 100% - Anstellung als Multimedia Producer  meine berufliche Laufbahn eingeschlagen.

Doch zurück an den Start. Mit tiefen Erwartungen stehe ich also am Start. Es ist ganz anders als vor einem halben Jahr in Einsiedeln. Weniger Druck, weniger Erwartungen aber genauso motiviert. Den Start erwische ich nicht schlecht und ich kann bereits den einen oder anderen Fahrer überholen, doch sobald es in die Abfahrten geht, merke ich, dass mir die Bike-Kilometer fehlen und ich noch nicht zu 100% mit meinem Bike vertraut bin, wie auch, mit knapp 100 Kilometern? Trotzdem kann ich die zum Teil sehr technischen Passagen gut fahren und muss nur wenige Male im Schlamm vom Monte Tamaro vom Rad steigen.

Den Anschluss an die ersten 30 Fahrer ist schnell verloren und so kämpfe ich irgendwo am Ende des Feldes um den 50.Platz. Auch die Schnelligkeit suche ich vergebens, ich kann zwar ein relativ konstantes Rennen fahren aber mein Puls will noch nicht so ganz in die Höhe schiessen.

In diesem sehr stark besetzten Feld werden solche "Schwächen" sofort bestraft und so muss ich nach nur 4 von 6 Runden das Rennen auf Grund der 80%-Regelung beenden. Ich bin anfangs frustriert und muss erst mal den Kopf durchlüften beim Ausfahren.

Mit ein wenig Abstand kann ich das Rennen abhaken und die Erfahrungen mitnehmen. Technisch habe ich im Vergleich zum letzten Jahr erneut Fortschritte gemacht und die Grundlage scheint auch zu stimmen, am Rest wird jetzt hart gearbeitet. Ob es an den nächsten zwei Rennen in zwei (Schaan) und vier (Solothurn) Wochen bereits viel besser geht werden wir sehen, jedoch bin ich zuversichtlich, beim Start der Marathonsaison im Südtirol (Juni) gut in Form zu sein.